Universität Leipzig
Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft
Lehrstuhl Historische und Systematische Kommunikationswissenschaft


Seminar
Virtuelle Öffentlichkeiten
Sommersemester 1997
(Doz. Dr. Debatin)



Das Internet und die Demokratie: Möglichkeiten und Risiken







Holger Lemme
Kommunikations- und Medienwissenschaft (Magister, KMW im Hauptfach)
6. Studiensemester
6. Fachsemester KMW



1. Ziele und Aufbau der Arbeit

Das Internet ist derzeit eine der großen, vielleicht die größte Hoffnung im Hinblick auf das kommende Jahrhundert. Viele Vorstellungen und Wünsche werden auf das globale Kommunikationsnetz projiziert. Nicht alle Metaphern sind neu, einige Erwartungen wurden auch schon mit anderen neu eingeführten Medien verbunden. So werden positive Auswirkungen auf gesellschaftliche Zusammenhänge erwartet, etwa größere Partizipationsmöglichkeiten der Bürger, bessere und schnellere Information sowie verbesserte Kommunikation zwischen Bürgern und deren gewählten Vertretern in den Parlamenten.
Aber auch wirtschaftliche Potentiale werden dem Internet zugeschrieben: es scheint bestens zur Überwindung von Arbeitslosigkeit und Konjunkturkrise geeignet zu sein. Neue Arbeitsplätze und riesige Umsätze werden prognostiziert. Virtuelle Unternehmen, Kooperationen rund um den Erdball und Telearbeit sind nur einige Schlagworte.
Nicht zuletzt eine ökologische Entlastung sehen die Befürworter des Netzes für die Zukunft voraus. Die Verringerung des Transportbedarfs, sowohl für Waren als auch Personen, und der rückläufige Verkehr von Berufspendlern sollen sich vorteilhaft auf die geplagte Natur auswirken. Aufgrund der erwarteten Ersparnis von Papier und anderen Büromaterialien wird eine verbesserte Umweltbilanz prognostiziert.
Viertens werden die sozialen Beziehungen eine andere Qualität erreichen. Mit Hilfe des Internets wird Echtzeitkommunikation über Zeitzonen hinweg möglich. Die Diskussion über virtuelle Gemeinschaften und die Spezifika von elektronisch vermittelten Beziehungen ist in vollem Gange. Dabei werden Unterschiede zur direkten, face-to-face-Kommunikation ausgemacht und eine Bereicherung der sozialen Beziehungen des Einzelnen erwartet.

Ich möchte in dieser Arbeit die Potentiale und Gefahren für die Demokratie stärker beleuchten. Deshalb werde ich mich auf die Vorstellungen zu gesellschaftlichen Veränderungen durch das Internet konzentrieren. Im ersten Teil der Arbeit werde ich versuchen, das Internet als Medium zu definieren und die mit dem neuen Medium verbundenen Hoffnungen, besonders auch im historischen Kontext, vorzustellen. Der zweite Teil ist den demokratischen Potentialen des Internet gewidmet. Ich werde auf die strukturellen Besonderheiten des Internet eingehen und Anwendungsmöglichkeiten im Sinne einer demokratischen Mitbestimmung diskutieren. Die Gefahren, die einer demokratischen Nutzung des Internet drohen, werde ich im dritten Abschnitt der Arbeit untersuchen. Kommerzialisierung und Unterhaltung sind zwei Aspekte, die bei der Bewertung der Risiken eine große Rolle spielen.

2. Das Internet als Medium

Das Internet stellt eine neue Klasse im Reigen der Medien dar: es ist ein Multimedium, ein "Meta-Medium". Es schließt alle medialen Darstellungsformen ein: Text, Grafik, Foto, Film und Ton. Ob visuell oder akustisch, ob bewegt oder statisch, jede dieser Formen kann über das Internet übertragen und verbreitet werden. "Der Computer als Medium kann (prinzipiell) alles: er kann Zeitung, Buch, Film, Animation etc. sein oder die Darstellungsmittel ... neu mischen."
Diese Multifunktionalität verdankt der Computer der Digitalisierung. Der schleichende Übergang von den analogen zu den digitalen Medienformen hat sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen. Die Schallplatte wurde durch die Compact Disc abgelöst, statt der Kompaktkassette wird das DAT-Band zur Aufzeichnung von Musik und Sprache verwendet. Fotos und Videofilme werden zunehmend digitalisiert und rechnergestützt weiterverarbeitet, zum Teil sogar direkt auf digitale Datenträger aufgezeichnet. Kaum eine Zeitung wird heute noch mit beweglichen Lettern gesetzt, auch hier werden Satz und Druckvorstufe vollständig am Computer erledigt. Nicht zuletzt die Rundfunkanstalten entdecken die Vorteile der Digitalisierung: nachdem zunächst die Studiotechnik vollständig auf digitales Equipment umgestellt wurde (z. B. bei MDR Sputnik), gehen inzwischen die ersten digitalen Programme auf Sendung (Digitales Fernsehen DF1, Digital Audio Broadcasting).
Das digitale Zeitalter ist angebrochen. Und der Computer ist die Plattform, die alle ehemals getrennten Medienformen in einem Gerät, an einer einheitlichen Schnittstelle zusammenfaßt. André Gauron spricht von der "endlich realisierten Symbiose von Plattenspieler, Telefon, Radio, Fernseher und Computer". Das Multimedia-Endgerät als physische Einheit ist noch im Entstehen, über die notwendigen Fähigkeiten verfügt der Computer jedoch schon heute. Der Zusammenschluß der Rechner bildet das Internet, das Netz der Netze. Nur als solches, nicht als isolierter Computer, kann das Multimedium seine ganzen Vorteile ausspielen. Indem es in Echtzeit Kommunikation ermöglicht und Daten jeglicher Art in Sekundenschnelle um den Globus übertragen kann, hebt es Raum und Zeit auf.
Neben dem digitalen Charakter und der Überwindung beliebiger Entfernungen ohne Zeitverzögerung gibt es ein drittes wichtiges Merkmal des Internets: die Netzstruktur. Vilém Flusser unterscheidet sechs Kommunikationsstrukturen, von denen vier unidirektional ("diskursiv") und zwei multidirektional ("dialogisch") sind. Die Netzstruktur ist eine dialogische Kommunikationsstruktur, da sie nicht zwischen Sendern und Empfängern trennt, sondern alle Teilnehmer zu gleichberechtigten Partnern werden läßt. Flusser entdeckt eine derzeit ablaufende Kommunikationsrevolution, wobei die unidirektionalen Medien, z. B. die Massenmedien, und die multidirektionalen Netze, z. B. das Internet, um die Vorherrschaft bei der zukünftigen Informationsübertragung konkurrieren.
Mit Blick auf die Netzstruktur beschreibt Howard Rheingold das Internet als "Viele-an-viele-Medium". Es werden im Gegensatz zu den herkömmlichen Medien keine Gatekeeper (z. B. Journalisten) benötigt, sondern jeder Teilnehmer kann selbst produzieren und Anbieter von Informationen sein. "Mit einem Computer, einem Modem und einem Telefonanschluß kann jeder als Verleger tätig werden, jeder Schreibtisch kann eine Sendeanstalt sein."
Besonders auf diese Charakteristik des Internets beziehen sich viele der Vorstellungen und Visionen, die in Zusammenhang mit dem weltweiten Kommunikationsnetz geäußert werden. Minderheiten werden Inhalte publizieren können, die heute von keiner Redaktion veröffentlicht werden würden. Meinungen, die stark von den Vorstellungen der Mehrheit differieren, können unter gleichen Bedingungen den Menschen zugänglich gemacht werden. Auf dieser Basis wird dann vom Internet als riesiger Datenbank gesprochen, als Netz des Wissens. Gauron zitiert Gérard Théry, der die Meinung vertritt, daß das Internet "der Informationsnot ein Ende" bereiten wird. Eine heitere (und dennoch nachdenkliche) Sichtweise auf diese Metapher und deren mögliche Konsequenzen entwickelt Thomas Lehr in seinem Aufsatz "Die Bibliothek der Gnade".
Die Möglichkeit, über jedes erdenkliche Thema informieren zu können, birgt allerdings auf Seiten des Rezipienten die Gefahr in sich, von der Informationsflut überschwemmt zu werden. Daniel Brössler stellt fest, daß "die Rezipienten zwar mit immer mehr Informationsangeboten konfrontiert, nicht aber mehr informiert" werden. Die Rolle des Journalismus als Gatekeeper, als auswählende und kanalisierende Instanz im Informationsfluß, ist in Frage gestellt. Statt dessen wird über Softwareagenten nachgedacht, die eine individuelle Zeitung entsprechend den Interessen des Lesers zusammenstellen.
Wichtiger als die Informationsdienste sind jedoch die Kommunikationsmöglichkeiten via Internet. Die eigentliche Revolution ist das Potential, dialogisch kommunizieren zu können. Statt "dünner" Rückkanäle, wie bei den Massenmedien üblich (Leserbrief, Hörertelefon), gibt es im Internet Zweiwegkommunikation per definitionem. Es ist nicht nötig, zu einem anderen Medium zu greifen: Senden und Empfangen werden an ein und demselben Terminal erledigt. Howard Rheingold beschreibt, daß nicht so sehr die Informationsmöglichkeiten (Datenbanken, Telefonbücher) das französische Minitel-System populär machten, sondern die Möglichkeit, darüber mit anderen Kunden zu kommunizieren. Bald war nämlich das System geknackt, und mittels einem illegalen Chat-Programm begannen die Teilnehmer, miteinander zu plaudern. Rheingold bezeichnet die kommunikativen Möglichkeiten von Computernetzwerken als eine von vier Machtquellen, die ihnen innewohnen (neben Netzstruktur, Digitalisierung und Innovationspotential).

Seit dem Beginn der Diskussionen um die gesellschaftliche Relevanz von neuen Kommunikationstechnologien Anfang der 80er Jahre werden immer wieder ähnliche Argumente ins Feld geführt. Wolfgang Seufert zeigt auf, daß vor allem zwei Anwendungsmöglichkeiten damals wie heute eine wichtige Rolle spielten und spielen: das Angebot der elektronischen Massenmedien auszuweiten und Informationen über Telekommunikationsnetze interaktiv zu nutzen. Die Massenmedien, die Informationen unidirektional aussenden und keine unbedingte Rückkopplung erlauben (Rheingold nennt sie "Einer-an-viele-Medien", für Flusser gehören sie zum Modell des Amphitheaters), sollen um interaktive Medien erweitert werden. Riehm stellt fest, daß es beim interaktiven Medium "nicht mehr den Inhalt, sondern nur noch den Inhalt unter bestimmten Bedingungen" gibt. Der Nutzer muß steuernd die Inhalte für sich eröffnen. Damit erreicht der Rezipient ein neues Niveau: er wählt aktiv Informationen aus, statt sich wie bisher mit der Wahl zwischen An- und Ausschalten zu begnügen. Das interaktive Medium sollte allerdings nicht nur den Austausch mit "content providern", sondern auch mit anderen Nutzern ermöglichen. Denn in der Informationsgesellschaft, wie Vilém Flusser sie definiert, ist kommunikatives Interesse ein existentielles Bedürfnis.
Schon 1981 hat die Enquete-Kommission "Neue Informations- und Kommunikationstechniken" des Deutschen Bundestages in einem Zwischenbericht festgestellt, daß es durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken (IuK-Techniken) zu einer Anhebung des Informations- und Bildungsniveaus der Bürger kommen könnte. Auch diese Vorstellung ist heute nach wie vor präsent. Die Frage, inwiefern die IuK-Techniken einen erhöhten Grad an Informiertheit bei den Menschen bewirken und wie sich die neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten auf die Demokratie und das politische System auswirken, soll im nächsten Kapitel diskutiert werden.

3. Das demokratische Potential des Internets

Informierte Bürger sind die Basis jeder Demokratie. Denn damit die Menschen einer Gesellschaft ihren Willen durchsetzen können, müssen sie sich zuvor Meinungen gebildet haben. Deshalb ist das Interesse, die Menschen mit leicht zugänglichen Informationsquellen zu versorgen, unbedingt gerechtfertigt. Bisher hatten die Massenmedien die öffentliche Aufgabe der Information, der Meinungsbildung sowie der Kontrolle und Kritik der politischen Akteure. Diese drei Funktionen werden stark durch die Selektion von Informationen beeinflußt. Massenmedien funktionieren als Filter, indem sie wichtige von unwichtigen Informationen trennen, Themen an das Licht der Öffentlichkeit bringen und Meinungen gegenüberstellen. Durch die Hoheit der Selektion haben sie Einfluß auf die öffentliche Meinung. Gleichzeitig schließen sie aber den Rezipienten aus, der selbst nur im Rahmen des vorgegebenen Medieninhalts aktiv auswählen kann. Diese Einschränkung kann dazu führen, daß bestimmte, für einzelne Personen oder Gruppen wichtige Themen nicht publiziert werden. Mit Hilfe eines interaktiven Mediums kann der Nutzer die Auswahl selbst treffen – innerhalb eines größeren Rahmens, denn nur prinzipiell ist der Platz bei Online-Angeboten im Gegensatz zu herkömmlichen Medien nicht begrenzt.
Das Präsentieren von Meinungen durch die Massenmedien ist ebenfalls diesem Selektionsmechanismus unterworfen. Nicht jede Bewertung eines Sachverhalts kann publiziert werden, schon aus quantitativen Gründen nicht; allerdings gibt es auch qualitative Ausschlußkriterien. Jedes Massenmedium hat neben ökonomischen und ideellen Zielen auch politische Ambitionen – selbst wenn diese nur den ersten beiden Werten Vorschub leisten sollen. Dieses Streben beeinflußt natürlich die Auswahl der Meinungen, die dann verbreitet werden. Der Verweis auf die pluralistische Medienlandschaft löst das Problem der favorisierten Meinungen nicht, zumal die Medienkonzentration, nicht zuletzt aufgrund der Deregulierungsstrategie der Bundesregierung, zunimmt.
In ähnlicher Weise hängt auch die Kritik- und Kontrollfunktion der Massenmedien von den verschiedenen anderen Interessen ab. Insofern scheint es vorteilhaft, ein interaktives Medium zur Ergänzung der Massenmedien aufzubauen. Damit könnten die bisher fast gänzlich einflußlosen Nutzer stärker partizipieren. "Der Rezipient erhält den Status eines (Mit-)Produzenten, er gibt seine Rolle als Beobachter zugunsten der Rolle als Teilnehmer auf. Somit hat er die Möglichkeit, einzugreifen, zu verändern, zu vernichten oder zu speichern. Das Bild von der Massenkommunikation als Einbahnstraße erscheint überholt."

Nun stellt sich die Frage, ob das Internet als ein interaktives Medium eine leicht zugängliche Informationsquelle ist. Zuerst müssen einige notwendige Zugangsvoraussetzungen erfüllt sein. Markus Götte und Stefan Welling unterscheiden fünf Faktoren, von denen der Zugang zum Internet abhängt.
Die erste Bedingung ist das Vorhandensein von Zugängen zur Telekommunikationsinfrastruktur, also den physischen Übertragungswegen, auch in ländlichen Gebieten. Auf welche Art die Übertragung dann tatsächlich abläuft, ist nebensächlich. André Gauron argumentiert, daß die digitalen Daten nicht immer über Glasfasernetze übertragen werden müssen. In manchen Fällen werden langsamere Träger oder auch drahtlose Verbindungen praktikabel sein.
Die zweite Voraussetzung ist der Zugang zu entsprechender Hard- und Software. Sofern sie nicht kostenfrei öffentlich zugänglich ist, z. B. als Bürger-Terminals, entscheiden die finanziellen Mittel eines jeden Haushalts über die Qualität des Netzzuganges.
Der dritte wichtige Faktor für den Zugang zum Internet sind die Nutzungsgebühren. Dabei handelt es sich um Zugangsgebühren und Kosten für bestimmte Informationen, hauptsächlich aber um Übertragungskosten, die von der geographischen Position, der Datenübertragungsgeschwindigkeit der verwendeten Hardware und der Nutzungsdauer abhängen.
Als vierte Bedingung nennen Götte und Welling einerseits den Zugang zu den verschiedenen Diensten des Internet wie WWW, ftp, Chat, E-Mail oder Gopher; andererseits spielt die Verfügbarkeit von Informationen (Gebühren, Zugangsbeschränkungen) eine Rolle.
Fünfte Voraussetzung ist die Medienkompetenz, die "primär kognitiv konstituiert ist". Sie schließt die Fähigkeit der Bedienung von Hard- und Software sowie das Wissen ein, wo die gesuchten Informationen im Netz zu finden sind. Darüber hinaus ist es notwendig, sich die Informationen nutzbar machen zu können (Download, Plug-In starten, Speichern).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß technische, finanzielle und kognitive Zugangsbarrieren bestehen. Sind diese überwunden, und sind die gewünschten Informationen im Internet verfügbar, hat der Nutzer leichten Zugang. Denn bei der Übertragung via Internet sind Raum und Zeit aufgehoben. Daten werden in Echtzeit übertragen, egal ob von einem Server nebenan oder von einem Rechner auf einem anderen Erdteil. Entfernungen spielen keine Rolle mehr, auch Mengen sind prinzipiell uninteressant. Nur die (kognitiven) Verarbeitungskapazitäten des Nutzers setzen hier Grenzen. Es gibt keine Öffnungszeiten, die beachtet werden müssen. Ebenso unwahrscheinlich ist es, daß die gewünschten Informationen gerade vergriffen oder verliehen sind, wie das bei deren materiellen Ausdrucksformen, z. B. Büchern, mitunter der Fall ist. Informationen im Internet sind ständig sofort verfügbar, unabhängig von ihrem gegenwärtigen Standort.
Hinzu kommt, daß verschiedene mediale Formen zur Bereitstellung von Informationen verwendet werden können. Es ist kein Videorecorder notwendig, um bewegte Bilder ansehen zu können, ebensowenig bedarf es einer HiFi-Anlage für das Abspielen von Musik oder gesprochener Worte. Alle Informationen werden über ein Medium transportiert und direkt am Endgerät, der Benutzerschnittstelle, verarbeitet und nutzbar gemacht. So kann jede Information adäquat übertragen werden.
Das Internet ist also ein interaktives Medium, das leichten Zugang zu Informationen bietet. Aufgrund seiner Eigenschaft als Multimedium können vielfältigste Daten in ihrer jeweiligen medialen Form (Text, Bild, Ton) abgerufen werden. Die Informationsbeschaffung wird also im Vergleich zu den herkömmlichen Massenmedien erleichtert und vereinfacht.

Zur individuellen Meinungsbildung und zur Herausbildung von öffentlichen Meinungen ist die Diskussion, der Austausch von Argumenten und Meinungen zwingend erforderlich. Erst im Vergleich mit anderen Individuen kann der Mensch seinen Platz finden und seine Überzeugungen entwickeln. Vilém Flusser stellt fest, "daß die zwischenmenschlichen Beziehungen der Unterbau sind, aus welchem überhaupt erst Individuen und die Gesellschaft auftauchen können." Ohne Kommunikation kann der Diskurs nicht stattfinden. Dann ist eine sinnvolle demokratische Mitbestimmung nicht möglich.
Das Internet nun bietet hervorragende Möglichkeiten der Kommunikation. Ob synchron oder asynchron, sprachlich oder schriftlich, diverse Dienste stehen den Nutzern für die Interaktion zur Verfügung. Der ohne Zweifel bekannteste Dienst ist E-Mail. Hierbei handelt es sich – ähnlich dem Brief – um asynchrone, textbasierte Kommunikation. Alternativ zur privaten E-Mail-Konversation sind auch Gruppendiskussionen möglich. Tausende Diskussionsforen des Usenet sind über den gesamten Bereich des Internet verbreitet, aber auch lokale Newsgroups werden oftmals eingerichtet. Eine Alternative zu öffentlichen Diskussionsgruppen sind sogenannte Listserver. Sie verschicken die Diskussionsbeiträge per E-Mail an die eingetragenen Mitglieder. Damit wird eine gewisse Exklusivität gesichert und ein Gruppengefühl aufgebaut.
Ein synchrones, textbasiertes Mittel der Kommunikation sind die Chat-Programme. In den Chat-Rooms können sich mehrere Nutzer an Diskussionen beteiligen. Ihre Texteingaben erscheinen in Echtzeit auf den Monitoren aller Teilnehmer, die darauf sofort reagieren können. Es werden somit Diskussionen zwischen Menschen möglich, die sich in unterschiedlichen Ländern oder Kontinenten befinden. Neben den Gruppendiskussionen sind auch private Chats zwischen zwei Personen möglich.
Ein synchroner, sprachlicher Dienst ist das Internet-Telefon. Hier wird ebenso wie beim herkömmlichen Telefon Sprache simultan übertragen, allerdings über die Leitungen des Internet. Die Deutsche Telekom beginnt inzwischen, das Telefonieren via Internet zu erproben und bietet es interessierten Kunden zu günstigen Tarifen an. Zusätzlich zur Sprache wird in Zukunft auch die Möglichkeit bestehen, das Bild der Telefonierenden synchron zu übertragen. Das Bildtelefon befindet sich derzeit noch in der Anfangsphase. Der notwendige Datendurchsatz wird im Internet bisher höchstens im institutionellen Bereich mit Breitband-Datenleitungen erreicht. Den privaten Anwendern bleibt als Alternative, das Bild auf dem zweiten Kanal eines ISDN-Anschlusses über das Telefonnetz – nicht über das Internet – zu übermitteln. Die Deutsche Telekom wirbt zur Zeit verstärkt für diese Anwendung.
Die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten machen das Internet zu einem Medium, das den Austausch der Nutzer über Ländergrenzen hinweg fördert. Aufgrund der Netzstruktur kann jeder Nutzer des Internets senden und empfangen, sich beteiligen und einmischen. Dabei sind private Gespräche ebenso möglich wie öffentliche Diskussionen.
In der Anwendung des Internet für die Kommunikation und den Austausch von Meinungen kann ein öffentlicher Diskurs zu gesellschaftlichen und politischen Themen entstehen. Informationen sind leicht zugänglich, können problemlos verbreitet werden und dienen als Grundlage für die Meinungsbildung. Die Diskussion zwischen Menschen wird durch ein spezielles gemeinsames Interesse – jedes Diskussionsforum hat einen thematischen Rahmen – und das entstehende Gruppengefühl, denn die Teilnehmer lernen sich mit der Zeit genauer kennen, gefördert. Die räumliche Nähe der Diskussionspartner ist, gegenüber der Zeit der Massenmedien, nicht mehr von Bedeutung, denn das Internet hebt die Grenzen von Raum und Zeit auf. Da die Massenmedien nicht mehr die Informationshoheit haben, stehen mehr Informationsquellen und damit möglicherweise eine breitere Fakten- und Datenbasis zur allgemeinen Verfügung.
Im Zusammenhang mit den Kommunikationsmöglichkeiten via Internet wird als zusätzlicher Vorteil das Fehlen von nonverbalen Kommunikationsbestandteilen genannt. So kann das Geschlecht, der Status und die äußerliche Erscheinung (z. B. Aussehen, Dialekt, Behinderung) in der virtuellen Diskussion unerkannt bleiben; die Diskussionspartner werden hauptsächlich nach ihren Beiträgen beurteilt. Dennoch bleiben gewisse Charakteristika nicht verborgen: so kann der Status durch Angabe von Titeln und Posten im Absenderfeld übermittelt werden. Auch inhaltliche Kompetenz oder bestimmtes und selbstsicheres Auftreten in den Diskussionsgruppen kann einen Status übermitteln. Eine gewisse Gruppenhierarchie wird sich auch in virtuellen Gemeinschaften herauskristallisieren. Darüber hinaus läßt auch Wortwahl sowie Orthographie und Grammatik einer E-Mail auf den sozialen Status des Absenders schließen.
Andererseits wird das vielfach als Verlust empfundene Nichtvorhandensein der nonverbalen Kommunikationsbestandteile durch den Einsatz von Emotikons – kleine, die Stimmungslage des Schreibers versinnbildlichende Zeichen – kompensiert, da sich durch den reinen Text eine z. B. ironische Bemerkung nicht übermitteln ließe und zu Mißverständnissen führen würde.
Die nonverbalen Bestandteile sind ein wichtiger Teil der menschlichen Kommunikation und helfen, die Bedeutung der Worte zu entschlüsseln. Sie sind ein notwendiger Indikator zur Strukturierung der Umwelt und zur Reduktion von Komplexität der wahrgenommenen Wirklichkeit. So werden hier Möglichkeiten gefunden, hilfreiche Elemente auch über computergestützte Netze zu übermitteln und zu erkennen. Dagegen ist das Ausblenden von unerwünschten nonverbalen Botschaften nicht in jedem Fall möglich. Auch das Internet ermöglicht keine Kommunikationsform, die absolut "politically correct" ist, anderen Formen aber ist sie überlegen: "The inherent characteristics of the Internet medium reduces status signification (but does not eliminate it), and encourages an equality of participation and decision making."

Das Internet ist eine sinnvolle Erweiterung des bestehenden Mediensystems. Prinzipiell hat es für die Demokratie förderliche Eigenschaften, die gleichzeitig den Unterschied zu den anderen Medien markieren: Netzstruktur, Multimedium und Kommunikation ohne zeitliche und räumliche Beschränkungen. Daraus ergeben sich verbesserte Möglichkeiten der Information, Kommunikation, und damit Meinungsbildung. Die Kritik- und Kontrollfunktion der Massenmedien wird durch das Internet nicht untergraben, sondern auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet. Der erleichterte Zugang zu Informationen ermöglicht es jetzt auch Privatpersonen, die Arbeit der Exekutive, Legislative und Jurisdiktion zu überprüfen. Natürlich ergibt sich die dazu notwendige Kompetenz nicht einfach aus den Möglichkeiten des Internet, sondern muß durch einen hohen Aufwand an Zeit und Bereitschaft zur kontinuierlichen Beschäftigung mit der Thematik erworben werden. Es sei betont, daß nur die Informationen im Internet abgerufen werden können, die irgend jemand vorher eingegeben hat: das Internet ist und bleibt ein Medium. Es ist kein Wissensspeicher, der alle Fragen auf geheimnisvolle Weise beantwortet, keine allmächtige Instanz, die alles sieht und alles hört.
Das Internet kann eine Stütze der Demokratie sein, es kann Bürgerbeteiligung fördern und Politikverdrossenheit reduzieren helfen. Jedoch wird der Erfolg vom verantwortungsvollen Umgang der Menschen mit den neuen IuK-Techniken abhängen. Wie bei jeder Technologie entscheiden die Nutzer über die Art ihrer Anwendung. Gefahren und Risiken, die die Entfaltung der demokratischen Potentiale des Netzes bedrohen, sind zahlreich.

4. Gefahren und Risiken

Bevor das demokratische Potential des Internets zur Wirkung kommen kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Erste und vielleicht wichtigste Bedingung ist der allgemeine Zugang zum Netz. Denn die Idee der Demokratie beruht auf der Partizipation aller Bürger, nicht nur einiger weniger Privilegierter. Wie bereits in Kapitel 3 ausgeführt, haben Markus Götte und Stefan Welling die Zugangsbarrieren benannt, die durch einen Universaldienst zu überwinden wären. Damit jeder Bürger die Möglichkeit des Zugangs zum Internet hat, muß er die technischen, finanziellen und kognitiven Bedingungen erfüllen können. Wenn das Kommunikationsnetz als ein Universaldienst ähnlich dem Telefon aufgefaßt würde, könnten durch staatliche Regelungen die technischen Voraussetzungen zu einem niedrigen Preis geschaffen werden. Die notwendige kognitive Kompetenz kann durch Weiterbildungskurse, Schulunterricht, besonders aber durch exploratives Lernen während der Anwendung erworben werden.
Doch diese optimistische Sicht wird getrübt, denn eine Gesetzgebung zur Einrichtung eines solchen Universaldienstes ist nicht in Sicht. In einer 1996 von der Europäischen Kommission herausgegebenen Mitteilung zum Universaldienst wird dieser lediglich als "Sprachtelefondienst über einen Festnetzanschluß, über den auch ... ein Modem betrieben werden [kann,]" definiert. Weitere Überlegungen im Hinblick auf Datenleitungen oder gar entsprechende Endgeräte gibt es nicht. So wird ein universaler Zugang zum Internet in näherer Zukunft wohl ein Wunschtraum bleiben.
Nichtsdestotrotz können Haushalte mit der notwendigen Finanzkraft den vollwertigen Zugang zum Netz heute problemlos erhalten. Es verwundert nicht, daß bisher die überwiegende Zahl der Nutzer zu den Besserverdienenden gehört: der "Third WWW User Survey" vom Mai 1995 ermittelte ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 69.000 Dollar. Die Umfrage "MC Online-Monitor I/96" ergab, daß 44,4% der Befragten über ein Haushaltseinkommen von mehr als 5.000 DM verfügen.
Wenn es keinen kostengünstigen, per Gesetz garantierten Zugang zum Internet gibt, bleibt Werbung die einzige Möglichkeit, allen Bevölkerungsschichten den finanzierbaren Zutritt zum Netz zu ermöglichen. Dies liegt natürlich auch im Interesse der Wirtschaft, hat sie doch starke Ambitionen, das neue Multimedium zur Erzielung von Gewinnen zu verwenden. Demnach wird der allgemeine Zugang zum Netz wohl eher durch anfängliche Subvention der Wirtschaft als durch politisches Handeln erreicht.
Während heute der kommerzielle Gewinn im Netz in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen für die Internet-Präsenz steht, kann sich das schon in wenigen Jahren umkehren. Der größte Teil der Erlöse wird noch durch Werbung und Sponsoring erzielt. Sobald jedoch wirklich sicherer Datenverkehr (z. B. für finanzielle Transaktionen) gewährleistet ist und die notwendigen Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen, werden andere Waren gehandelt: Fernsehsendungen (Video-on-demand), Nachrichtendienste, Informationsdienste aller Art, Unterhaltungsangebote (z. B. Online-Spiele) sowie Software sind gewinnträchtige Angebote. Auch das Angebot von digitalen Kopien von Zeitschriften, Büchern und Bild- und Tonträgern sowie Dienstleistungen (Geldgeschäfte, Versicherungen, Telefon, Telefax) werden den Charakter des Internets stark beeinflussen. Nicht zuletzt wird TTele-Shopping an Stellenwert gewinnen. Das Internet eignet sich hervorragend als permanent aktualisierter multimedialer Online-Katalog. Die Interaktivität ermöglicht es dem Benutzer, genauere Informationen über bestimmte Posten bei Bedarf abzufordern. Die Waren werden digital geordert und umgehend angeliefert.
Die Kommerzialisierung des Internets ist in vollem Gange. Nachdem die Datennetze, besonders in den USA, über zwanzig Jahre von staatlichen Institutionen bezahlt wurden (Militär, Universitäten), beginnt jetzt der Ausverkauf. Die Datenleitungen werden privatisiert, Investitionen nach kommerziellen Gesichtspunkten getätigt. Big Business gelangt zunehmend in den Besitz des Multimediums.
Die Wirtschaft sieht das Internet als neuen Markt, der entsprechend dem Verwertungsinteresse des Kapitals zur Erzielung von höchsten Profiten gestaltet werden muß. Deshalb geht das Interesse der Telekommunikationskonzerne über die Bereitstellung von Kabelnetzen hinaus. Die Deutsche Telekom versucht beispielsweise, sich selbst als "content provider" zu profilieren, also selbst Inhalte anzubieten. Kooperationen von Telekommunikationsunternehmen mit TV-Anbietern häufen sich. Microsoft kooperiert mit NBC und bietet unter dem Namen MSNBC einen Fernsehkanal samt Internet-Angebot an. Darüber hinaus will es die Firma Web-TV übernehmen. Die Deutsche Telekom vereinbarte die Zusammenarbeit mit Leo Kirch und Bertelsmann, wenngleich ihr hier nur die Rolle des Transporteurs zukommt.
Die vielfältigen Aktivitäten auf dem Medienmarkt zeugen von Aufbruchsstimmung. Jeder Medienkonzern möchte sich mit digitalen und/oder interaktiven Angeboten Marktanteile sichern. Time-Warner erprobt derzeit ein "Full Service Network", das Spiele, Filme, Online-Magazine und Tele-Shopping ermöglicht. E-Mail, Diskussionsbretter oder andere Kommunikationsmöglichkeiten sind nicht vorgesehen. Hier zeigt sich, daß das große Geschäft nicht mit demokratisierenden Informations- und Kommunikationsdiensten, sondern Infotainment und Unterhaltung angestrebt wird.
Die Unterhaltungsangebote haben durchaus ihre Berechtigung; immerhin werden es die Gewinne in diesem Sektor sein, durch die die elektronische Kommunikation, diese bequeme Möglichkeit der Information und des Austausches, finanziert wird. Aber es besteht die Gefahr, daß über den Infotainment- und Unterhaltungsprogrammen die demokratischen Potentiale nach und nach zusammenschrumpfen und verschwinden. Für viele Menschen wird sich dann der Nutzen des "Information Superhighway" mit interaktiven Unterhaltungsangeboten und Dienstleistungen erschöpfen. Eine demokratischere Gesellschaft wird nicht zu erwarten sein, wenn sich nur eine Minderheit am öffentlichen Diskurs beteiligt.
Die Wirtschaftsunternehmen sind nicht daran interessiert, über die teuren Breitbandkabel geringe Datenvolumen zu schicken, wie sie E-Mail und Newsgroups darstellen, sondern wollen große Datenmengen wie Fernsehprogramme und Online-Kataloge verbreiten. Außerdem läßt sich an politischen Diskussionen kein Geld verdienen, wohl aber durch die neuerliche Verwertung von Filmen und Talkshows über Internet-TV, interaktives Tele-Shopping und Telekommunikationsdienstleistungen.
Der Staat als Repräsentant der Bürger sollte am öffentlichen Diskurs eher Interesse haben als die Wirtschaft, deren Blick für gesellschaftliche Phänomene sich nur bei ausgezeichnetem "shareholder value" schärft. Doch mit der Privatisierung der Infrastruktur des Netzes haben die staatlichen Institutionen ein bedeutendes Mittel aus der Hand gegeben: denn wer die Netze besitzt, bestimmt auch, was darüber übertragen wird. Beim derzeitigen wirtschaftspolitischen Kurs der Liberalisierung ist eine restriktive Gesetzgebung, die demokratiefördernde Dienste als Pflichtbestandteil von Kommunikationsnetzen festschreibt, nicht zu erwarten. Möglicherweise bleiben E-Mail und Diskussionsgruppen als Nischenprodukt bestehen, aber den heutigen Stellenwert werden sie nicht halten können. Damit sinkt natürlich deren Nutzen im Sinne der Demokratie entsprechend.
Vorausgesetzt, daß zukünftige Kommunikationsnetze demokratieförderliche Dienste anbieten und die große Mehrheit der Haushalte daran angeschlossen ist: jetzt stellt sich die Frage, ob das politische Interesse durch die neuen Möglichkeiten des Internets gesteigert werden kann. Denn es ändert sich vorerst nichts im politischen System, lediglich ein neues Medium ist etabliert, das verbesserte Möglichkeiten für Information und Kommunikation bietet. Wer nicht gewillt ist, sich mit politischen und gesellschaftlichen Problemen zu befassen, wird sich auch nicht im Internet mit ihnen beschäftigen.
Wodurch also läßt sich das politische Interesse und die Bereitschaft zur Teilnahme erhöhen? Sicherlich durch, erstens, leichten Zugang zu politischen Informationen, Programmen und Positionen zu aktuellen Problemen, also einer erhöhten Transparenz des politischen Systems. Darüber hinaus kann persönliche Betroffenheit von bestimmten Entscheidungen entstehen, die ein starker Antrieb zur Beteiligung am Meinungsbildungsprozeß darstellt. Zweitens durch Möglichkeiten der Teilnahme an der politischen Debatte. Denn die wahrgenommene Beteiligung, der Erfolg der eigenen Bemühungen ist der beste Ansporn zu weiterem Engagement.
Beide Punkte sind technisch im Internet einfach umzusetzen (siehe Kapitel 3). Doch viel wichtiger ist, daß die entsprechenden Informationen aktuell angeboten und die Kommunikationsbeziehungen aktiv von den Politikern gepflegt werden. Das Medium an sich bietet nur die Voraussetzungen. Die Initiative muß von den Menschen ausgehen, die es benutzen. Besonders der Wandel des politischen Systems zu mehr Offenheit, Transparenz, Bürgernähe und -beteiligung ist Bedingung für ein neues politisches Interesse von Internet-Nutzern. Wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, daß Politiker eher aus taktischen als aus Vernunftgründen Entscheidungen treffen, daß wichtige Reformen blockiert werden und den Interessen der Wirtschaft eher Folge geleistet wird als denen der Bevölkerung, dann werden sie sich auch nicht mit Hilfe des Internets an der politischen Debatte beteiligen.

5. Fazit

Das Internet vereint Merkmale der herkömmlichen Massenmedien und wird durch die Digitalisierung aller medialen Formen zum Multimedium. Durch die blitzschnelle Datenübertragung werden Beschränkungen durch Raum und Zeit prinzipiell aufgehoben. Kommunikation wird in Echtzeit möglich. Die Netzstruktur ermöglicht jedem Teilnehmer neben dem Empfangen von Daten auch das Senden von Informationen. Dadurch wird die Einwegkommunikation der herkömmlichen Massenmedien überwunden.
Diese Eigenschaften lassen das Internet zu einem idealen Informations- und Kommunikationsmedium werden. Informationen in der jeweils adäquaten medialen Form können jederzeit und von jedem beliebigen Ort aus abgerufen werden. Ebenso sind Kommunikationsbeziehungen über Ländergrenzen hinweg möglich.
Das elektronische Kommunikationsnetz läßt sich vorteilhaft für die öffentliche Meinungsbildung einsetzen. Es kann zu mehr Transparenz und Bürgernähe des politischen Systems verhelfen. Durch die Nutzung des Internet sind die Anwender prinzipiell in der Lage, Gegenöffentlichkeiten zu bilden und die Aufgabe der Kontrolle und Kritik der politischen Akteure mit zu übernehmen.
Für eine wirklich demokratische Nutzung ist der allgemeine Zugang zum Netz erforderlich. Die derzeitige politische Richtung läßt jedoch nicht auf die Einrichtung eines Universaldienstes hoffen. Es wird wohl eher die Wirtschaft sein, die im Austausch gegen Werbung und Kundendaten den Zugang zum Internet ermöglicht.
Deren Interesse ist aber nicht der öffentliche Diskurs, sondern das Erzielen von Gewinn. Durch Internet-Dienste der unterschiedlichsten Art werden die Wirtschaftsunternehmen versuchen, sowohl an den Inhalten als auch an der Datenübertragung selbst zu verdienen. Die Nutzung des Internet für die öffentliche Meinungsbildung wird dann nur noch ein winzigen Bereich des Netzes ausmachen.
Selbst wenn alle Zugangsbarrieren überwunden wären, könnte sich das demokratische Potential nur entfalten, wenn die politischen Institutionen den Bürgern Beteiligungsmöglichkeiten anbieten und sich aktiv auf die Zusammenarbeit einlassen würden.
Das Internet an sich ist zwar ein mit vielfältigen Vorteilen ausgestattetes, aber eben doch nur ein Medium. Dessen Nutzung obliegt den Menschen. Sie entscheiden letztlich, zu welchem Zweck es eingesetzt wird und ob seine Vorteile nutzbringend angewendet werden.

6. Literaturverzeichnis